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seit 1. Januar dieses Jahres greift die größte Wohngeldreform in der Geschichte der Bundesrepublik. Das ist eine sehr gute Nachricht für mehr als eine Million Menschen, die künftig zusätzlich Anspruch auf Wohngeld haben. Sie müssen es dann nur beantragen. Darin liegt ein grundsätzlicher Fehler: der Bürger muss die Leistung beantragen. Nein, müsste er nicht. Denn der Staat kennt in sehr vielen Fällen seine Bürgerinnen und Bürger so gut, dass er weiß, wer ein Recht auf Leistungen hat. Der Staat könnte den Menschen, die ein Anspruch auf Wohngeld haben aktiv ansprechen, ihnen das neue Wohngeld anbieten.
Die Verwaltung fragt im Wohngeldantrag danach, ob Kinder im Haushalt leben und damit Kindergeld bezogen wird. Warum? Das weiß der Staat, er muss sich die Information nur abholen bei der Familienkasse. Was so leicht klingt, ist es zugegebenermaßen nicht. Register müssen automatisch, digital miteinander kommunizieren können. Das ist in einem föderalen Staat, in dem die Kommunen die allermeisten Anträge der Bürgerinnen und Bürger bearbeiten, keine Kleinigkeit. Die schöne Idee des serviceorientierten Staates stößt also auf praktische Hürden. Aber, diese Hürden können wir einreißen.
Bremen hat das mit seiner Entwicklung „ELFE“ bereits gezeigt. ELFE steht für „Einfach Leistungen für Eltern“. Mit Geburt des Kindes können die Eltern in einem Schritt digital und mit nur wenigen Angaben den Namen des Kindes festlegen und die Geburtsurkunde und das Elterngeld beantragen. Den Rest übernimmt die Verwaltung. Die Gehaltsdaten der Eltern zum Beispiel holt sich die Elterngeldstelle über die Rentenkasse bei den Arbeitgebern. Für die frischgebackenen Eltern heißt das: sie müssen nicht die Gehaltszettel der letzten zwölf Monate aus Ordnern zusammensammeln. Sie bekommen einfach den Bescheid über die Höhe des Elterngeldes zugesandt und das Geld auf das Konto überwiesen. Das kann Verwaltung schon jetzt, ELFE hat es in Bremen bewiesen.
Die Verwaltung braucht dringend ein neues Geschäftsmodell. Was für das Elterngeld funktioniert, kann auch für das Wohngeld funktionieren. Es kann für die aktuell heiß diskutierte Kindergrundsicherung funktionieren. Es kann für viele weitere Leistungen funktionieren. Zu oft bekommen Bürgerinnen und Bürger diese Hilfen nicht, weil sie nichts davon wissen oder an den Anträgen verzweifeln. Das ist ungerecht und darf so nicht bleiben. Künftig müssen Behörden von sich aus den Menschen Angebote machen, nicht erst auf Antrag. Das ist eine tiefgreifende Veränderung. Nicht nur die Arbeitsabläufe verändern sich, auch die Haltung jedes einzelnen Mitarbeitenden in jeder Behörde ist eine andere. Nicht zuletzt verändert sich die Rolle der Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen nicht mehr um Hilfen bitten, sondern erhalten Leistungen vom Staat, weil sie ein Recht darauf haben.
In diesem Newsletter lesen Sie Beispiele, wie Bremen das Leben von Familien und Unternehmen leichter macht, weil Verwaltungsleistungen digital beantragt und bearbeitet werden können. Das ist ein echter Fortschritt. Mein Ziel ist jedoch, da nicht stehen zu bleiben. Die Verwaltung muss alle Vorteile der Digitalisierung nutzen. Zum einen, um den Bürgerinnen und Bürgern mehr Service zu bieten. Zum anderen, um sich selbst zukunftsfest zu machen. Die Aufgaben für die Verwaltung wachsen stetig, digitale Lösungen halten uns für diese neuen Aufgaben den Rücken frei. Ich wünsche Ihnen mit dem Newsletter eine informative Lektüre.
Ihr Dr. Martin Hagen - Staatsrat für Haushalt, Personal und IT beim Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen